Operette Jungfrau von Dragant





Die Jungfrau von Dragant


Text Moritz Anton Grandjean und Karl Costa

Uraufführung 23. Juli 1870 im Stadttheater Graz

Inhalt

Vor einer Flusslandschaft in den niederländischen Bergen hat Mark- und Gaugraf von Vogelsingen, genannt Hans der Gerechte, durch seinen Hin- und Herrufer eine Versammlung einberufen lassen, bei der er zum Kampf gegen den aus dem Osten eindringenden Feind aufruft. Er benutzt seine Anwesenheit auch dazu, um Gericht zu halten. Ritter Mordigall von Wetterschlund, beschuldigt Elsa, die Tochter des verstorbenen Herzogs von Dragant, ihren Bruder, den Prinzen Pafnuzzi, umgebracht zu haben und fordert ein Gottesurteil; wer Elsa verteidigen wolle, solle gegen ihn zum Duell antreten. Erst nach zweimaliger Aufforderung durch den Hin- und Herrufer kommt plötzlich ein fahrender Ritter auf einem Wagen, gezogen von einem weißen Schaf, daher. Dieser erzählt nur, dass er aus dem Fabelland komme und eine fesche Tour über Stock und Stein und Bergeshöhen hinter sich habe. Er bietet an, sich für Elsa duellieren zu wollen und hält dafür um ihre Hand an, stellt dabei jedoch die Bedingung, dass Elsa nicht nach seinem Namen und seiner Herkunft fragen darf. Im folgenden Duell wirft der Ritter den Mordigall nieder, schenkt ihm aber das Leben. Mordigall schleicht sich zusammen mit seiner Frau Gertrud, einer altbekannten Hexe, von der Kampfstätte. Beide schwören Rache.

Während das Volk die ganze Nacht die wiederhergestellte Ehre der Jungfrau von Dragant und die bevorstehende Hochzeit feiert, heckt Mordigalls Frau Gertrud bereits neue Pläne aus. Mordigall soll den Ritter als Zauberer anklagen, sie selbst will Zweifel ins Herz der Elsa bezüglich der unbekannten Herkunft ihres zukünftigen Gemahls streuen. Am nächsten Morgen beschimpft Gerdtrud den Ritter als einziges Fragezeichen und Mordigall trägt seine Anklage der Zauberei vor. Die Anklage kann mit Bezug auf das Unschulds-Lamm, mit welchem der fahrende Ritter ja schließlich angekommen sei, abgeschmettert werden. Jetzt schmieden Mordigall und Gertrud zusammen mit einem Gefolgsmann Mordpläne.

Nach der unter großem Zeremoniell stattgefundenen Trauung gestehen sich Elsa und ihr Mann gegenseitig ihre Liebe. Dabei kann es Elsa, angestachelt durch Gertrud, nicht unterlassen, sich darüber zu beklagen, dass sie ihren Mann nicht beim Namen nennen kann und stellt letztlich doch die verbotene Frage. Inzwischen schleichen sich Mordigall und von ihm gedungene Raubritter in das Schlafgemach, um ihre Mordtat auszuführen, werden jedoch von Elsas Gemahl abgewehrt; Mordigall, bleibt dabei kopflos auf der Kampfstätte.

Am nächsten Morgen wird die Nachfeier der Hochzeitsgäste zum Einen durch die Erzählung der nächtlichen Schandtat gestört zum Anderen dadurch, dass der fremde Ritter verkündet, dass er fortziehen muss, da Elsa ihn trotz des ausgesprochenen Verbotes nach seinem Namen gefragt hat. Jetzt erzählt er, dass er zu den Rittern des Krals gehört und sich nur auf Urlaubsfahrt befunden habe. Sein Name sei Lohengelb. Darauf gesteht Gertrud plötzlich, dass sie damals Elsas Bruder in ein Schaf verzaubert hat und nur der Kral ihn erlösen könne. Da erscheint der Kral leibhaftig, der sich als ein Art guter Geist erweist. Er löst den Zauber, aus dem Schaf wird wieder der Prinz, Gertrud wird gebessert und Mordigall wird wieder zum Leben erweckt, darf aber nicht mehr hetzen und erhält deshalb zur Sicherheit einen neuen Kopf. Der Kral löst auch Lohengelbs Schwur, der nun bei Elsa bleiben darf.

Musik

Es stellt sich die Frage, ob es sich bei der Jungfrau von Dragant wirklich um eine Operette und nicht etwa um einen "Rückfall" in frühere Possenzeiten handelt. Bereits die Kritik nach der Uraufführung hat der Operette eine "harmlose, lustige Possenmusik" bescheinigt. Bei dieser Musik werden auch, außer einigen wenigen Instrumentaleffekten leider keine parodistischen Anspielungen auf Wagners Musik aufgeboten. Eine Ausnahme hiervon bildet die Ouvertüre, die ganz im Stile Wagners geschrieben wurde, aber erst bei näherem Hinhören eine Parodie erkennen lässt. Für das Stück selbst und die damit vielleicht verbundene Absicht einer Umkehrung dessen, was hernach folgt, ist sie mit ungefähr 10 Minuten Dauer viel zu lang. Und für eine konzertante Aufführung ist sie schlichtweg zu langweilig und mit Suppés Meisterouvertüren in keinem Fall zu vergleichen.

Man kann Wert oder Unwert dieses Werkes wie zwei Seiten einer Medaille betrachten. Einerseits: sollte es die Absicht der Autoren gewesen sein, ein deutschsprachiges Pendant zu Offenbachs großartigen Persiflagen auf antike Mythen und/oder die europäische Sagenwelt zu schaffen, dann ist dies gründlich misslungen - dem steht schon die simple Verballhornung des im Übrigen fast originalgetreu nacherzählten Opernstoffes entgegen und die Musik (siehe oben) kann sich keinesfalls mit Offenbachs Esprit messen lassen. Sollte es nicht in der Absicht gelegen sein, so wurde zumindest eine Chance vertan, etwas Vergleichbares auf die Bühne zu stellen. Andererseits: Das Stück geht auf eine Lohengrin-Parodie von Johann Nepomuk Nestroy (1801-1862) namens "Oper der Zukunft - Lohengrin" (1859) zurück. Dessen Metier war die Wiener Volkskomödie, die Posse. Und wie schon dieser der Meinung war, man könne Wagners bedeutungsschwangeren Sagenstoffen am besten den Spiegel des Gegenteils, nämlich der Posse, entgegenhalten, so waren es wohl auch die Autoren dieser "burlesken Operette".

Trotz dieser Einwände bleibt festzuhalten, dass das Stück, wie schon die oben zitierte Kritik ebenfalls ausführte, "...einige kostbare Nummern aufweist", die es wert sind, der Vergessenheit entrissen zu werden. Zu diesen zählt an erster Stelle der "Liebeswalzer", der eine herrliche Parodie auf Strauß'sche Walzerfolgen zu Gehör bringt, der aber auch, bei der meist subtileren Art von Suppés Parodien, ohne diesen Aspekt schön anzuhören ist. Ein weiterer parodistischer Höhepunkt, der auch exemplarisch das Umsetzen des Stoffes durch die Autoren repräsentiert, ist die Wiederannäherung der verfeindeten Gertrud (Ortrud) und Elsas, bei dem beide einen urkomischen Alpenjodler im Duett abjauchzen. Weitere kostbare Nummern: die Romanze "Mond du trauter" (Elsas Klagen an die Lüfte), das Couplet des "Hin- und Herrufers", der seltsam verquickte, ebenfalls sehr parodistische Klagegesang der Brautjungfern mit dem (auch im modernen Sinn) sehr operettenhaften Duett der Neuvermählten in der Hochzeitsnacht, das aus bester Wiener Volkstheatertradition stammende Banditenterzett und auch die "Gralserzählung", welche aufs Ergötzlichste das Original persifliert. Man muss Suppé zugute halten, dass er es sich auch bei den "harmloseren" Nummern nicht zu leicht gemacht hat, die stets mit opernhaften Strukturen wie z.B. polyphonen Ensemble- und Chorgesängen daherkommt.

Eine andere Kritik zur Uraufführung stellte fest, dass der Humor sowohl der Librettisten als auch des Komponisten nicht ausreiche, die Geschichte auf einen ganzen Theaterabend auszuweiten. Da mag was dran sein. Ein Möglichkeit, das Stück zu retten, wäre, einmal den umgekehrten Weg zu gehen: anstatt einen Einakter auf drei Akte "aufzublasen" könnte man aus einem Dreiakter auch mal einen Einakter machen. Also weg mit einigen allzu harmlosen "Tralala"-Liedchen. Eine Konzentration auf das Wesentliche, kabarettistische Verknappung und vielleicht auch ein ganz moderner Seitenhieb auf das (auch und vor allem vor Wagner nicht haltmachende) Regietheater könnte doch einigen Erfolg versprechen. Suppé Biograph Roser vertritt ohnehin die Meinung, dass heutzutage, wo die Zuschauer auf den Sendungsrhythmus des Fernsehens eingespielt seien, auch Einakter wieder ein Chance hätten.

u.a.
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