Operette Galathee



Die schöne Galathée

komisch-mythologische Oper in 1 Akt
Text von Poly Henrion (Leonhard Kohl von Kohlenegg)
Uraufführung 30. Juni 1865 Berlin 
(Meysels Sommertheater)
 
Marie Geistinger (1833- 1903) 
als Galathée
Der Stoff geht auf eine Sage des Ovid zurück, in welcher der Künstler Pygmalion, der aufgrund schlechter Erfahrungen zum Frauenfeind geworden war, eine Elfenbeinstatue geschaffen hatte, die wie eine lebendige Frau aussieht und in die er sich schließlich selbst verliebt. Am Festtag der Aphrodite (in den Operetten Offenbachs und Suppés wird die römische Bezeichnung Venus verwendet) bittet er die Liebesgöttin um eine Frau, die seiner Statue gleicht. Die Göttin erfüllt ihm nicht nur den ausgesprochenen Wunsch sondern errät und erfüllt auch seinen heimlichen Wunsch, indem sie die von ihm geliebte Statue zum Leben erweckt.

Das Textbuch von Poly Henrion greift auf ein Opernlibretto für Victor Massés komische Oper Galathée (1851) zurück. Getreu dem offenbach'schen Vorbild wird jedoch die Sage umgedichtet. Am Schluss wird die Statue wieder versteinert, nicht aber, wie in der Opernvorlage als Bestrafung der Venus für Pygmalions dem wirklichen Leben abgewandtes Verhalten, sondern auf eigenen Wunsch Pygmalions, weil die zunehmend egozentrischer werdende Galathée ihm über den Kopf wächst, was den eigentlichen Witz der Handlung ausmacht.

Inhalt

Während der Bildhauer Pygmalion, der auf der Insel Zypern lebt, am frühen Morgen zusammen mit anderen jungen Leuten auf dem Weg zum Tempel der Venus ist, nutzt sein fauler Diener Ganymed die Abwesenheit seines Meisters, um noch eine Mütze voll Schlaf zu nehmen. Er wird bei seinem Nickerchen gestört durch den Nichtstuer und Kunstmäzen Mydias. Dieser hat davon gehört, dass der Bildhauer eine wunderschöne neue Statue geschaffen hat und will sie unbedingt sehen und kaufen. Ganymed versichert ihm, dass der Meister strengsten angeordnet habe, dass niemand die Statue sehen darf. Gegen ein gutes Trinkgeld werden die strengen Regeln aufgehoben. Mydias steht bewundernd vor der Statue als Pygmalion überraschend zurückkommt. Er wirft den Eindringling umgehend hinaus.

Pygmalion will die Statue weder verkaufen noch will er, dass sie jemand zu Gesicht bekommt, denn er hat sich unsterblich in die von ihm geschaffene Frauenfigur, die er Galathée nennt, verliebt. Er bittet Venus, die Statue zum Leben zu erwecken - und das Wunder geschieht. Pygmalion glaubt nun, Galathée wäre in ihn genauso verliebt, wie er in sie, sie jedoch fühlt - nur Hunger. Da er nichts im Hause hat und Ganymed sich nicht meldet, muss er selbst forteilen, um etwas zu Essen zu besorgen.

Galathée, alleine gelassen, entdeckt ihre Umwelt und eine Harfe, auf der sie einige Töne anspielt und dann eine Romanze anstimmt "Leise bebt, und zaub'risch schwebt der Saiten leises Klingen". Als Ganymed endlich auftaucht, findet sie ihn gleich attraktiver als den Mann zuvor. Hässlich dagegen findet sie Mydias, der einen weiteren Versuch wagt, an die Statue zu kommen und sie höchst lebendig vorfindet. Er verliebt sich gleich auf den ersten Blick in sie und überhäuft sie mit Schmuck. Galathée nimmt dankend an, verlangt aber immer mehr: "Sonst nichts?".

Als Pygmalion zurückkommt, muss sich Mydias verstecken. Die drei übrigen kredenzen sich Wein zum Essen und stimmen ein Trinklied an, welches Mydias in seinem Versteck mitsingt. Als er am Ende von Pygmalion entdeckt wird, muss Galathée vor dem Wutanfall des eifersüchtigen Bildhauers flüchten. Der verfolgt sie zusammen mit Mydias. Als Galathée alleine wieder zurückkommt, umgarnt sie Ganymed und versucht, ihn nicht nur zur gemeinsamen Flucht zu verführen. Als es zwischen den beiden endlich zum Kuss kommt "Küsse mich", werden sie von Pygmalion und Mydias ertappt. Jetzt fordert der Schöpfer der Statue von Venus, diese wieder in Stein zu verwandeln, was prompt erfüllt wird. Mydias trauert seinem versteinerten Schmuck nach, tröstet sich aber damit, dass Pygmalion ihm jetzt die Statue verkauft. Ganymed ist ebenfalls erleichtert, hat ihn die aufregende Schöne doch ziemlich überfordert.

Musik

Die Galathée sei eine der vollkommensten Bühnenschöpfungen Suppés, urteilt Anton Würz in Reclams Operettenführer. Ohne das Vorbild Offenbachs wäre sie aber nicht zu denken. Doch geht Suppé auch andere Wege. Ironisch satirischen Nummern wie dem einlullenden Schlaflied des Ganymed in der Introduktion, der köstlich prahlendene Ariette des Mydias, dem wütenden Galoppterzett beim Rauswurf des Mydias, dem grotesk-komischen Schmuckterzett oder dem von stilistischer Wendigkeit geprägten Couplet des Ganymed "Doch so klassisch" stellt Suppé die sinnlichen Erfahrungen gegenüber, welche die zum Leben erwachte Galathée macht: die Romanze, in der sie die Musik entdeckt, das überschäumende Trinklied, bei welchem sie die sie umkreisenden Männer zu Statisten degradiert und das verführerische Kussduett, bei dem sie den zunächst widerstrebenden Ganymed um den Finger wickelt. Ein weiterer Höhepunkt der Partitur ist die Erweckungsszene mit anschließendem Duett, bei der Suppé alle Register seines ästhetischen Anspruches hin zur Oper zieht. Dieses Glanzstück ist auch ein exemplarisches Beispiel dafür, wie Suppé sich immer mal wieder vom groteskeren Vorbild Offenbachs entfernt. Wo Offenbach die Oper persifliert, huldigt ihr Suppé.

Eine pikante Note erhält das Stück durch die Anlage des Dieners Ganymed als Hosenrolle. Dass sich dann beim Kussduett zwei Frauen auf der Bühne küssen und das im Takt erfolgende Kussgeräusch von einem Musiker im Orchestergraben durch Küssen auf die Handfläche noch verstärkt wird, das galt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schon als sehr frivol. Und angemerkt seien noch zwei weitere Besonderheiten dieses Werkes: Zum einen wird Pygmalion von der dominierenden Titelfigur, deren „Schöpfer“ er doch eigentlich ist, dermaßen an den Rand gedrückt, dass ihm, im Gegensatz zu seinen beiden anderen männlichen Kollegen, nicht einmal eine Solopartie zugestanden wurde. Und zum anderen kommt der berühmte G-Dur-Walzer der Ouvertüre im Stück selbst gar nicht vor. Beides war diversen Bearbeitern immer wieder Veranlassung, entsprechende Änderungen vornehmen zu wollen – unnötigerweise.

u.a.
Zitat

Die "komisch mythologische Oper" Die schöne Galathée ist ein Werk der Grenzüberschreitung. Sie vereint inhaltlich und formal Elemente der Opéra bouffe und der Wiener Posse und weist zugleich eine innere Nähe zu Singpiel und Oper auf. In dieser ekletischen Grundhaltung steht die Schöne Galathée als singuläres Werk am Beginn der Wiener Operette.

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