A_Jagd nach dem Glück

Die Jagd nach dem Glück - Franz von Suppés letzte vollendete Operette

Suppé-Biograph Hans-Dieter Roser bezeichnet das Libretto dieser am 27. Oktober 1888 im Wiener Carltheater uraufgeführten Operette als einen "krassen Rückschritt in die Zeit der Besserungsstücke um die Mitte des 19. Jahrhunderts" und auch Suppés Biograph aus der ehemaligen DDR, Otto Schneidereit, stellte fest "es wies im Grund keine Handlung auf, nur eine Reihe von ‚operettengemäßen' Milieus und Situationen". Merkwürdigerweise schien sich die Wiener Presse, wie ich aus den wenigen Kritiken, die ich aus der Zeit der Uraufführung gefunden habe und die fast durchweg positiv sind, nicht daran zu stören.

So schreibt etwa "Die Presse" vom 28.10.1888:

Das Textbuch…repräsentiert sich als die abwechslungsreiche Ausspinnung einer anmuthigen Liebesgeschichte, die sich auf einem balladenhaften Untergrund aufbaut. "Die Jagd nach dem Glück" sucht den unbändigen Drang eines Jünglingsherzens nach dem flüchtigen Phantom des Glückes dramatisch zu fassen und darzustellen.

Allerdings räumte der Rezensent dann kurz darauf ein, dass die Operette schließlich zu dem etwas banalen, aber befriedigenden Ergebnis gelange

daß weder Reichthum, Ruhm und Wechsel in der Liebe zum wahren Glücke führen, sondern lediglich die stille, friedliche Vereinigung mit einem gleichgestimmten Herzen.

Das "Wiener Montags-Journal" vom 29.10.1888 berichtet:

…dass das (natürlich aus einer französischen Quelle stammende) hübsche und verwendbare Sujet von den Herren Genée und Zapert in ganz geschickter Weise zu einem deutschen - sagen wir "Bilderbuche" verarbeitet wurde, da die Operette nicht aus Acten sondern aus Bildern besteht.

Nur die "Wiener Zeitung" vom 28.10.1888 orakelt ein wenig spöttisch:

Die Verhältnisse der Operette bringen es mit sich, daß alle Personen mehr oder minder gut verkleidet dem Glücksjäger folgen und so ist das beschäftigte Personale gut, aber nicht so zahlreich, wie man vermuthen könnte. Was dem Texte am Reiz der Neuheit gebricht, ersetzen so ziemlich gute Inszenesetztungen, hübsche Costüme, gelungene Bilder und Aufzüge…

Entsprechend den genannten Besonderheiten des Textbuches wird denn auch die Handlung durch die Kritiker in ähnlich knapper Form geschildert wie hier in unserer Werksbeschreibung.

Obwohl die Operette heutzutage völlig unbekannt ist, kennen doch zumindest die Suppé-Liebhaber einen großen Teil der Musiknummern, allerdings die meisten wohl, ohne es zu wissen. August Peter Waldenmaier hat in seiner 1954 uraufgeführten 3-aktigen Neufassung des ursprünglichen Einakters Banditenstreiche eine ganze Reihe von Musiktiteln aus der Jagd nach dem Glück eingefügt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es von dieser Neufassung 1954 zunächst nur eine Rundfunkfassung gab, und erst mit der Uraufführung 1955 in Trier eine nochmals erweiterte Bühnenfassung. Waldenmaier soll um die Herkunft der eingefügten Titel ein Geheimnis gemacht und lediglich darauf hingewiesen haben, er sei auf einen alten originalen Klavierauszug gestoßen. Nun, auf diesen bin ich kürzlich auch gestoßen und konnte somit relativ leicht ermitteln, welche Titel der "Banditenstreiche" -Neufassung aus jener Operette stammen.
Zum Vergleich müssen wir die hier abgebildete CD des Labels Line zu Rate ziehen, die aber auf der kürzeren Rundfunkfassung basiert und selbst davon nicht alle Titel enthält. Von daher ist der Hinweis auf dem Cover "Gesamtaufnahme" nicht ganz korrekt. Einige Titel dieser Fassung wurden fast originalgetreu aus der Jagd nach dem Glück übernommen, so etwa "Nützet die Zeit, wenn Rosen blühen", auf der CD der zweite Titel im dritten Akt, gesungen von Stella, der Freundin der weiblichen Hauptperson Lidia. Das Lied wird im Original im ersten Akt als Duett zwischen der Kokotte Florine und der männlichen Hauptfigur Rudolf gesungen. Ein weiterer originalbelassener Titel ist "Verzeihung, wenn wir stören", der in beiden Fällen auch die gleiche Situationskomik in einem Quintett beschreibt. Auf der Banditenstreiche-CD wird im Titel 16 der Professor Tondolo von 4 Räubern ausgeraubt, im Original ist es in der Nr. 8 im ersten Akt der Diener des Grafen Rudolf, Casimir, der da gerupft wird. Fast dem Original entsprechend, aber nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Schluss der originalen Introduktion ist das in der Nr. 3 der Banditenstreiche gesungene Lied der Lidia "Heut ist mein Hochzeitstag". Das hieran anschließende Duett mit ihrer Freundin Stella ist dann aber wiederum einem anderen Musiktitel des Originals entnommen, der Nr. 6 im ersten Akt, einem Duett zwischen Stella und Fanny. Und obwohl wieder die beiden gleichen weiblichen Personen agieren, ist die Situation hier jetzt eine ganz andere. Stella ist mit ihrer Freundin ihrem Verlobten Rudolf nach Paris heimlich nachgereist. Die Beiden müssen zu Geld kommen und Fanny bietet daher auf dem Markt von ihr gebackene Pasteten und Stella ihre Sangeskunst feil.

Alle anderen Titel, die aus der Jagd nach dem Glück in die Banditenstreiche übernommen wurden, haben nun ähnlich eklatante Unterschiede sowohl im Text als auch in der zugrunde liegenden Situation. Das Lied des Babeo (Banditenstreiche, Nr. 5) "Nur mit Geld in Händen" ist im Original Teil der Nr. 10 Chor und Lied im zweiten Akt, gesungen vom Diener Casimir, der wie sein Herr unter schwedischen Soldaten weilt und gerade eine dem Feind nicht schmackhafte Suppe anrührt. So wurde dann aus einem, zugegebenermaßen nicht ganz verständlichem Text:

Der Soldaten Magen 
kann gar viel vertragen 
was sonst gewöhnlich der Mensch nicht verdaut 
Dieses muss mich trösten 
den ich weiß am besten 
wie und woraus diese Suppe gebraut…

in der Bearbeitung:

Nur mit Geld in Händen 
kann man Liebe spenden 
so sage ich ob ihr's glaubt oder nicht 
ohne Lebensrenten 
kann's so käglich enden 
zieht ihr nur immer ein sau'res Gesicht.

Und der Refrain:

Fleißig rühren, rühren, rühren 
Feuer schüren, schüren, schüren 
Munter schluckt's hinunter, 
gelt, euch wässert's schon den Mund 
Fleisig rühren, rühren, rühren 
Feuer schüren, schüren, schüren 
Munter schluckt's hinunter 
davon wird man fett und rund.

wurde zum:

Alle Männer, alle Weiber, 
auch der liebe Staat und and're Räuber 
sind doch immer, bitte sehr 
nur hinter den Moneten her 
nur mit Geld da lebt man munter 
aber ohne Geld kommt man herunter 
dann geht auch die größte Liebe drauf 
mit Geld ist man stets obenauf.

Man muss schon zugeben, dass die Texte des Originals nicht gerade große Dichtkunst sind (die der Bearbeitung übrigens auch nicht). Ein weiteres Beispiel hierzu ist der Chorwalzer im ersten Finale der Banditenstreiche-Bearbeitung "Lasst den Kopf nur nicht hängen" (CD Nr. 11), der im Original beim Abschied nehmen der Liebespaare Rudolf/Stella und Casimir/Fanny uns vor allem durch letzteres Paar wahrscheinlich vermitteln will, dass Liebe auch durch den Magen geht und daher lautet: "Keine Dampfnudeln nudeln Dampfnudeln nudeln s'ganze Jahr" (!) In der gleichen Nummer des Originals (Nr. 3 Sextett und Lied) kommt am Ende eine Romanze vor "Silberwelle eilt mit flücht'gem Kuss an einer Blume vorbei", welche in der Banditenstreiche-Bearbeitung ebenfalls im ersten Finale als Duett zwischen Gaetano und Lidia verwendet wird, jetzt mit dem Text "Du allein du wirst mein Alles sein, du bist mein Leben, mein Glück".

Der dritte Akt der Operette Die Jagd aus dem Glück spielt in Venedig während des Karnevals; es fehlen aber jegliche Bezüge etwa zur Nacht in Venedig, dafür gibt es eher solche zu Boccaccio. In einem turbulenten Karnevalsumzug werden nämlich die Figuren der Commedia dell'arte wiedererweckt und diese werden musikalisch mit einer Tarantella illustriert. Diese Tarantella findet sich dann in der Banditenstreiche-Bearbeitung mit geändertem Text, ebenfalls im Finale des 3. Aktes, wieder.

Wie bereits erwähnt, enthält die sog. Gesamtaufnahme der Banditenstreiche des Labels Line nicht alle Titel. Auf einer CD der Operette Der Bettelstudent des Labels Membran mit dem Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks unter Kurt Schröder (1952) befinden sich als Bonus noch 11 Titel aus der gleichen Produktion der Banditenstreiche. Und darauf befindet sich ein Titel "Wo gibt's denn einen Mann", der auf der Line-CD fehlt. Gesungen wird er von Stella, die in der Nr. 3 des ersten Aktes mit dem Gemeindeschreiber Spaccamonti schäkert. Entnommen wurde dieser Titel ebenfalls aus der Jagd nach dem Glück, und zwar als Ausschnitt der Nr. 10 Chor und Lied, und wird dort als Rundgesang vom Chor gesungen mit dem Text: "König Karl ist unser Held…".

Ein letzter Titel aus Die Jagd nach dem Glück , der Eingang in die Banditenstreiche gefunden hat, findet sich noch in der erweiterten Bühnenfassung, von der es keine CD, aber eine DVD einer Aufführung des Münchner Gärtnerplatztheaters aus dem Jahre 1964 gibt, mit miserabler Bild- aber brauchbarer Tonqualität. Als Nr. 18 im dritten Akt singt Lidia eine Romanze mit dem Titel "Wie schlägt mir das Herz so bange". Diese Romanze ist der Nr. 13 des Originals entnommen, die dort von Rudolf gesungen wird mit dem Text "Muss ewig ich dein gedenken" und mit dem er erstmals sich wieder schmerzlich an seine verlassene Verlobte erinnert.

Nun ist es aber nicht so, das A.P. Waldenmaier bereits sämtliche Rosinen aus der Jagd nach dem Glück herausgepickt hat. Einige nicht verwendete Titel sind es wert, näher betrachtet zu werden. Das bereits zitierte "Wiener Montags-Journal" hebt insbesonders die Musik des dritten Aktes hervor, aus der lediglich die Tarantella Verwendung gefunden hat:

Am gelungensten dünkt uns der dritte Akt, der auch beim Publikum am meisten einschlug. Kein Wunder, derselbe spielt "in dem Lande, wo des Componisten Wiege stand" und es pulsiert darin auch echtes südländisches Blut. Ein melodisches Tonstück reiht sich bei dieser tollen venezianischen Carnevalsnacht an die andere, so daß man nicht recht weiß, welchem man den Vorzug geben soll.

Aber auch die Introduktion des ersten Aktes zählt, unabhängig von dem schon erwähnten Hochzeitslied der Stella, wie so häufig bei Suppé, bereits zu den gelungensten Nummern der Operette. Weiter wären noch hervorzuheben ein Marschlied mit Chor "Hoch Paris" zu Beginn des zweiten Bildes im ersten Akt, das nochmals an die für Suppé typischen zündenden Märsche anknüpft, ein romantisches Lied der Stella aus dem zweiten Akt "Ach dort war Frieden, dort war Glück" sowie ein Lied der Fanny "Krieger so wie du und ich".

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Musik zu Suppés letztem Bühnenwerk keinesfalls eine nachlassende Inspiration verrät, aber es fehlt ihr, bedingt durch das Sujet des Textbuches, an Dramatik. So vermerkt auch die "Wiener Zeitung" herablassend:

Die Musik Suppés ist diesmal recht einfach und bietet in Liedern ihr Bestes. Der ehemalige brillante Regimentstambour der Operette ist Lyriker geworden, besingt Wald, Blumen und Liebe…

Die Verwendung des Begriffes "Regimentstambour" verrät, dass die "Wiener Zeitung" auch bei Publikumserfolgen Suppé nicht wohlgesonnen war. "Brillanter Dramatiker der Operette" wäre angemessener gewesen. Aber in der Tat findet sich in der Musik nirgendwo die dramatische Wucht, die, häufig auch an Verdi erinnernd, für Suppés Musik ebenfalls charakteristisch und in der gesamten Operettenliteratur einzigartig ist.

Uwe Aisenpreis, 06.05.2016
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