A_Projekt Afrikareise

Projekt "Afrikareise" - 
ein Interview mit 
Dario Salvi


u.a.: Mr. Salvi, Sie kündigten für den Dezember 2016 eine konzertante Aufführung der Operette "Die Afrikareise" von Franz von Suppé mit dem von Ihnen geleiteten Imperial Vienna Orchester an. Wie kamen Sie auf den Gedanken, diese Operette aufzuführen?

Dario Salvi: Es begann, als ich beschloss, für ein Konzert 2014 die Polka francaise aus der Operette (auch bekannt als die "Afrikareise-Polka") ins Programm aufzunehmen. Ich war richtig fasziniert von den Melodien in dieser Polka. Einige sind typisch wienerisch, aber eine hat einen sehr orientalisch/exotischen Charakter. Ich dachte bei mir: wenn diese Operette so aufregend ist als diese wenigen Takte, muss es sich um ein fantastisches Werk handeln. Leider (oder glücklicherweise) fand ich nicht eine Aufnahme von dieser Operette. Diese Tatsache faszinierte mich so sehr, dass ich beschloss, daran zu arbeiten und sie im kommenden Jahr auf die Bühnen der Opernhäuser in GB und sicherlich auch in Deutschland oder Österreich zurückzubringen.

u.a.: Sie selbst schreiben auf Ihrer Homepage, dass es seit mehr als 100 Jahren die erste Produktion der gesamten Operette in Europa sei und die erste britische Premiere überhaupt. Wieso also gerade diese Operette, die im übrigen Europa völlig in Vergessenheit geraten ist?

Dario Salvi: Ich habe gerade deshalb mit der "Afrikareise" begonnen, weil ich mir selbst sehr große Aufgaben stelle. Es gibt praktisch kein Material dazu (oder gab es nicht, bevor wir daran arbeiteten), mit Ausnahme einiger weniger Klavierauszüge und einigen Liedern.  Ich fand auf einer Celestina-Aufnahme vier Nummern: "Fanfani Marsch" (bekannt als "Über Berg und Tal"), die genannte Polka francaise und die Polka mazur "Orientale". Dann gibt es noch eine Ouvertüre, aufgenommen von Marco Polo; diese ist aber keine wirkliche Ouvertüre, sondern ein Arrangement von Paul Lincke. Ich bin sehr glücklich darüber, dass sich in meinem Besitz die Original Suppé Ouvertüre befindet, die ich 2016 aufführen will. Bei dem Mangel an Material und der unvollständigen Auswahl an Aufnahmen setzte ich mir selbst die Aufgabe, dies alles in Ordnung zu bringen. "Die Afrikareise" wird das erste Werk sein, bei welchem ich als Musikdirektor, Bearbeiter, Produzent und Manager agiere und auch überall sonst in der Produktion mit einbezogen bin.
u.a.: Wo haben Sie Partitur und Textbuch auftreiben können?

Dario Salvi: Es gibt einen Deutsch/Italienischen Klavierauszug bei Petrucci library online, welchen ich schnell durchgesehen habe, um eine Vorstellung von der Musik und der Handlung zu bekommen. Das war aber nicht genug! Es fehlten die Dialoge, welche die Hälfte der Spieldauer der Operette und 75% der Handlung ausmachen. Ich recherchierte Monat für Monat und es gelang mir, die englisch/deutsche Version des Klavierauszuges in der Bibliothek der Universität von Wisconsin - Madison (USA) zu finden. Sie hatten ebenso eine fast komplette Orchestrierung der Operette, Souflierbücher, Regiebücher usw. Sie hatten wirklich eine Menge. Unglücklicherweise ging das meiste Material aufgrund von Fehlern und mangelnder Abstimmung verloren. Unsere Aufgabe war es, aufführungsreif einen Auszug, eine Orchestrierung und ein Textbuch zu erstellen, was wir getan haben!
u.a.: Welche Teile der Partitur mussten Sie neu arrangieren, welche Texte neu übersetzen. Auf Ihrer Webseite geben Sie an: Lyrics and text von Emil Schwab, Hannah Salvi und Dario Salvi.

Dario Salvi: Ich musste fast alles von der Operette korrigieren wegen der Fehler des Original-Kopisten. Musik-Nummern, Akkorde, Wiederholungen, dynamische Wechsel von einem Abschnitt zum nächsten. Ebenso musste ich die englischen Verse des Couplets im 2. Akt (Nr. 11) schreiben, da es in der Original Amerikanischen Produktion gestrichen und durch "Spring Tide", ersetzt wurde, einem Lied komponiert von Adolf Neuendorff, dem Kurator dieser Produktion. Das Original Couplet Nr. 11 ("Gute Nacht du mein herziges Kind") war zu seiner Zeit einer der Schlager der Operette und wurde als Notenblatt veröffentlicht. Die englischen Verse fehlen, aber die original deutschen und italienischen sind vorhanden. Ich schuf einige neue englische Verse für Lieder, die wirklich vergnüglich sind. Von Neuendorff wurde ein anderes Lied hinzugefügt, ein Stück mit dem Titel "Snuff Song", welches musikalisch sehr schwach ist. Es ersetzte Suppés Musik am Ende der Nummer 7b. Ebenso wurde der Dialog an dieser Stelle von Neuendorff geändert, damit sich ein logischer Zusammenhang zwischen dem Textbuch und dem neuen Lied ergab. Der deutsche Text der 7b ("Ah ha, dies ist englisch…") ist etwas harsch gegen die Engländer (ich vermute, das ist der Grund, warum die Nummer in den englischsprachigen Ländern ursprünglich gestrichen wurde), daher musste ich die Verse ändern, aber ich achtete darauf, die generelle Aussage des Liedes zu erhalten, so gut es ging im Zusammenhang mit dem Textbuch und gab ihm mehr politische Korrektheit. Ich musste auch die Ouvertüre orchestrieren, da keine vollständig orchestrierte Partitur verfügbar war. Und es mussten mehrere Fehler im Manuskript der Partitur korrigiert werden.

u.a.: Wie Sie wissen, standen die deutschen Liedverse sehr unter Kritik. Konnten Sie es besser machen?

Dario Salvi: Das englische Libretto und die Verse sind fantastisch. Ich denke, die Operette sollte sowohl in den englisch als auch in den deutsch sprechenden Ländern produziert werden. Sie ist wirklich wunderbar, außerordentlich lustig mit einer Menge Späße und erstaunlich wirksamen Situationen.

u.a.: Haben Sie auch an dem etwas seltsamen Schluss (z. B. die Sache mit der Heirat der Buccametta als Gegengift) eine Änderung vornehmen können?

Dario Salvi: Da gibt es eine überraschende Wendung mit dem Buccametta/Gegengift Spaß. Ich will das Finale aber nicht verderben. Zudem wird im Textbuch einiges klarer (als in der Inhaltsbeschreibung). Buccametta bietet sich an, bei der Vergiftung helfen zu können, falls Fanfani sie heiratet.

u.a.: Sie machen am 19. Oktober ein Vorsingen für die Rollenbesetzung. Wie viele angehende Mitwirkende haben sich schon gemeldet?

Dario Salvi: Das erste Vorsingen wird am 19. Oktober sein für Sängerinnen und Sänger, die aus den Ost-Englischen Bezirken kommen. Ich habe 14 Kandidaten für diesen Termin. Das Vorhaben ist auf ein großes Interesse gestoßen und ich hatte mehr als 30 schriftliche Bewerber aus ganz GB und Europa.
u.a.: Erzählen Sie mir ein wenig über Ihr Orchester.

Dario Salvi: IVO ist ein wunderbares Projekt. Wir bringen Wiener Musik zu einem Publikum, welches sich danach verzehrt. Leichte klassische Musik wird gerne als zweitklassige Musik betrachtet. Wenn man Strauß oder Walzer oder Polkas erwähnt, fangen Musiker und Hörer an, befangen zu wirken. IVO versucht, diese Barriere zu durchbrechen. Wir haben erst vor vier Jahren angefangen und unser Erfolg wächst. Wir sind außerdem das einzige Orchester in GB, welches auf Bällen spielt, für die wir die Musik von Wiener/Österreichischen Komponisten aufführen sowie einige Salon-Orchester -Arrangements von Tänzen aus den 1910ern und 1920ern.

u.a.: Sie haben bei Ihrem Projekt eine Zusammenarbeit Ihres Orchesters mit der Universität von Wisconsin, dem Operetten Research Center in NL und der Johann Strauss Society in GB angegeben. Wer übernimmt da welchen Part?

Dario Salvi: Ja, alle diese sind in einem bestimmten Maß beteiligt. Nichts wäre möglich gewesen ohne die Quellen aus den USA und beide, ORC und JSS helfen mir viel beim Beurteilen des Materials und bei der Beschaffung des historischen Hintergrunds. Dr. Robert Letellier, einer der Welt größten Wissenschaftler auf dem Gebiet von Oper und Operette und Autor vieler Bücher über dieses Genre, ist so fasziniert von meinem Projekt, dass er sich mir beim Erarbeiten des Librettos angeschlossen hat (das wir sehr bald veröffentlichen werden!).

u.a.: Welchen Bekanntheitsgrad hat Franz von Suppé in GB im Verhältnis z. B. zu Johann Strauß oder Arthur Sullivan.

Dario Salvi: Keinen. Er ist nur bekannt für die "Leichte Kavallerie-" und "Dichter und Bauer"-Ouvertüren. Sullivan ist natürlich äußert populär hier und Strauß wird hauptsächlich mit den Walzern und der "Fledermaus" in Verbindung gebracht.

u.a.: Wie können Sie hoffen, eine große Resonanz für Ihr Projekt zu bekommen, wenn der Komponist dieses Werkes in GB so unbekannt ist?

Dario Salvi: Ich vertraue der Qualität der Musik, auf das Novum der Produktion, der historischen Wichtigkeit unseres Projektes und natürlich auf die erstmalige Edition des vollständigen Librettos der Operette. Und ich hoffe, die Leute aus ganz Europa wollen nicht nur nach Norwich fliegen, um Zeuge der Aufführung zu werden. Die Reise ist nicht nur wert wegen der Musik, sondern ebenso, um die Wunder einer von Englands schönsten mittelalterlichen Städten zu entdecken!

u.a.: Sie planen auch, die Aufführung auf CD oder DVD aufzunehmen?

Dario Salvi: Ja, aber wir suchen zunächst nach Möglichkeiten, das Projekt (als solches) zu finanzieren. Alles hängt davon ab, wie viel Geld wir aufbringen können.

u.a.: Wie steht es mit der Finanzierung?

Dario Salvi: Wir haben gerade begonnen, Zuschüsse von verschiedenen Bezirken in GB zu beantragen. Ich habe im Augenblick noch keine Kenntnisse bezüglich europäischer Zuschüsse, aber wir wollen uns in naher Zukunft darum kümmern. Natürlich hilft der Verkauf von Tickets, das Projekt zu finanzieren. Wir wollen versuchen, den Preis im Rahmen aber gleichzeitig im Verhältnis zum Wert des Projektes zu halten.

Oktober 2015, die Fragen stellte Uwe Aisenpreis.
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