A_Mozart



Mozart
Kuriosum und Wiederentdeckung

Zumindest den Lesern dieser Webseite dürfte bekannt sein, dass Franz von Suppé, bevor er seine erste Operette schrieb und damit die Wiener Operette aus der Taufe hob, die Musik zu ca. 138 Bühnenstücken geschrieben hatte bzw. als angestellter Kapellmeister und Komponist verschiedener Wiener Vorstadttheater zu schreiben hatte. Darunter waren u.a. Lustspiele, Possen, Zauberspiele, Schwänke und Schauspiele. Manche Stücke hatten nur eine vorangestellte Ouvertüre ohne jede weitere Musik, manche waren mit Gesang und andere mit einer dem Geschehen begleitenden Musik, sei es als Zwischenaktmusik oder auch einer die Szenen und Dialoge untermalenden Musik, etwa in der Art der heutigen Filmmusik, ohne dass es dieses Medium damals schon gab.


Zu letztgenanntem zählt die Musik zu dem 1854 uraufgeführtem sog. Künstlerlebensbild in vier Akten „Mozart“ von Leonhard Wohlmuth, welches das Leben Mozarts in vier Episoden darstellen sollte. Suppé verwendete für seine Musik in erster Linie Motive von Mozart selbst, aber er steuerte auch einige wenige Eigenbeiträge bei. Dabei gelangen ihm meisterhafte Collagen fremder und eigener Musik, natürlich im Stil seiner Zeit und der ihm eigenen Art der Instrumentation, wenn er nicht gerade authentisch zitierte.


Dass es von dieser Musik jetzt seit Mai 2022 eine CD des Labels NAXOS gibt, haben wir in erster Linie dem Dirigenten und Musikrestaurator Dario Salvi zu verdanken, der sich in den letzten Jahren einen Namen damit gemacht hat, vergessene Bühnenwerke wieder hörbar zu machen. So hat er u. a. Bühnenmusiken von Meyerbeer, Humperdinck, Bronsart, eine ganze CD Serie von Auber-Ouvertüren und erstmals Gesamtaufnahmen der Strauß-Operetten "Blindekuh" und "Waldmeister" eingespielt. (Siehe hierzu auch www.dariosalvi.com.)


Eine der Höhepunkte auf der CD ist auch gleich die Ouvertüre, die hier erstmals in voller Länge aufgenommen wurde und die Suppé aus Motiven der Opern „Figaros Hochzeit“, „Die Entführung aus dem Serail“, „Don Giovanni“ und „Die Zauberflöte“ in seiner dafür berühmten Meisterschaft gestaltet hat.


Die Überleitung zum zweiten Akt, in welchem Mozart seine Constanze erwählt, gestaltet Suppé mit einem ca. 9-minütigem Concertino. Meisterhaft, wie er einige Liebesthemen Mozarts, insbesondere aus „Die Entführung aus dem Serail“ und „Don Giovanni" verwendet, um daraus mit unzähligen Variationen ein kleines Violinkonzert zu kreieren, das vom Solisten ein hohes Maß an Virtuosität fordert.


Ein weiteres Glanzlicht sind die „Aphorismen“ aus dem dritten Akt, in welchen Suppé nach eine kurzen Einleitung aus der „Schauspieldirektor“-Ouvertüre die Idee versinnlicht, wie sich in der Phantasie Mozarts die Motive zu seiner „Zauberflöte“ entwickeln.


Der vierte und letzte Akt, in dem Mozart im wahrsten Wortsinn fieberhaft am Requiem arbeitet und infolge dessen auch selbst den Tod findet, wird selbstverständlich mit Ausschnitten aus diesem Requiem eingeleitet, wobei Suppé die Sätze Tuba mirum und Lacrimosa ineinander verwebt und gegen Ende auch Eigenes beisteuert.


Das letzte Tonstück, ebenfalls im 4. Akt ist nun ein typisches Beispiel, wie die Musik einigen Szenen unterlegt wird, je nach Situation von unterschiedlichem Charakter. Lichtes und Dunkles wechseln sich mehrfach ab; Suppé verknüpft Mozartzitate, z.B. aus der Violinsonate Nr. 33, dem Requiem, eigenen kompositorischen Erweiterungen und Reminiszenzen aus vorangegangenen Tonstücken, wobei sein Geschick deutlich wird, „instinktsicher fremdes und Eigenes genial zu vermischen“, wie es einer der heutigen Kritiker ausdrückte.


Das Janáček Philharmonic Orchester, das von Dario Salvi selbst geleitet wird, spielt diese Musik Mozarts im Gewand von Suppés Temperament mit Hingabe und Präzision und lässt keine Wünsche offen. Besonders sei die preisgekrönte Geigerin Julie Svěcená erwähnt, welche die Herausforderungen des Concertinos mit Bravour meistert.


Trotz Mozart bleibt das Stück ein Kind des Wiener Volkstheaters, ist insofern heutzutage ein Kuriosum und doch eine wertvolle Wiederentdeckung, gibt es doch, wenn auch nur ausschnittsweise, einen Einblick auf den Nährboden, auf welchem die Wiener Operette entstand. Da wäre es schön, noch mehr solche Beispiele (natürlich von Suppé) hören zu können.


Uwe Aisenpreis, Juli 2022

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