A_Galathée im Sonntagskonzert

Die schöne Galathée im Sonntagskonzert

In einem bekannten Internetforum für klassische Musik gibt es eine Themenseite mit dem Titel: „Suppés Operetten – mehr als Ouvertüren“. Der Initiator des Themas will damit zum Ausdruck bringen, dass Suppés Ouvertüren „alle Augenblick aus dem Radio und bei diversen Konzerten [tönen]“, das Angebot an kompletten Operettenaufnahmen aber recht mager sei, von der Bühnenpräsenz ganz zu schweigen.


Auch verschiedene Kritiker der jüngsten Suppé-Veröffentlichungen machen auf dieses Missverhältnis aufmerksam. Es ist anzunehmen, dass die Programmgestalter des Münchner Rundfunkorchesters ebenso in dieser Richtung gedacht hatten, denn in ihrem ersten Sonntagskonzert in dieser Saison, am 16.10.2022, führten sie konzertant „Die schöne Galathée“ auf und stellten dieser Aufführung drei (bzw. vier - die vierte gehörte zum Stück selbst) der weltberühmten Ouvertüren Suppés voran. So konnten viele der Konzertbesucher die Ouvertüren erleben, die sie möglicherweise schon mehrfach irgendwo gehört hatten aber einige davon vielleicht zum ersten Mal das, was hinter diesen steckt. Dass die Wahl auf „Die schöne Galathée“ fiel, bot sich bei dieser Kombination natürlich an, denn es handelt sich bei dieser Operette um einen Einakter mit einer Spielzeit von ca. 1 Stunde, nur 4 Personen und einem Chor, der auf der Bühne (wie dann beim Konzert auch) im Hintergrund agiert. Dazu noch handelt es sich bei der „Galathée“ um ein echtes Meisterwerk - Anton Würz urteilte in Reclams Operettenführer, dieses Werk sei eine der vollkommensten Bühnenschöpfungen Suppés. Zugleich zeigt dieses Musterexemplar der frühen Wiener Operette, wie Suppé dieselbe maßgeblich geprägt hat, indem er Elemente des Wiener Volkstheaters (vor allem auch das Wiener Couplet), ein bisschen Offenbach und - er vor allem - Stilmitteln der italienischen Opera buffa mit großer Kunstfertigkeit zusammengefügt hat.


Um es gleich vorwegzunehmen: das Sonntagskonzert des Münchner Rundfunkorchesters wurde all dem voll und ganz gerecht. Ivan Repušić, der neue Chef des Orchesters, hat eine enge Beziehung zu Suppé. Wie Suppé ist er in Split geboren und in Zadar aufgewachsen und er hat in derselben Kirche, in welcher Suppé als 16-jähriger seine erste Messe aufführen durfte, selbst einen Chor geleitet. Schon bei den vorangestellten Ouvertüren hat sich gezeigt, dass der Dirigent ein wenig andere Wege gehen wollte; er hat sie forscher und kräftiger und manchmal mit abrupten Wechseln gespielt aber dennoch auch die feinen Nuancen herausgearbeitet. Das gleiche gilt für die Operette selbst. Auch hier brachte das Orchester die ausgefeilte Partitur Suppés voll zur Geltung.


Die gesanglichen Leistungen aller vier Künstlerinnen und Künstler, Mandy Fredrich als Galathée, Svetlina Stoyanova in der Hosenrolle des Ganymed, Jörg Schneider als Pygmalion und Gerhard Siegel als Mydas, waren hervorragend, sowohl stimmlich als auch im Ausdruck. Besonders gefiel mir das köstliche Komödiantentum des Gerhard Siegel. Die Textverständlichkeit war bei drei der Genannten außergewöhnlich gut, wie man sie bei heutigen Operettenaufnahmen kaum noch zu hören bekommt. Lediglich bei der Mezzosopranistin Svetlina Stoyanova hatte ich einige Mühe, die Gesangstexte zu verstehen. Ich glaube, es hat nichts damit zu tun, dass die deutsche Sprache nicht ihre Muttersprache ist; es lag eher daran, dass sie ihren Gesang zumeist sehr kunstvoll gestaltete. Besonders beim Couplet „Wir Griechen“ hätte ein bisschen mehr Sprechgesang Abhilfe schaffen können.


Es ist mir schon bei einer anderen Produktion, in deren Booklet das komplette Libretto von 1865 abgedruckt war, aufgefallen, wie kurz die Dialoge bei der „Galathée“ sind, knapp aber genau auf den Punkt. Diese Dialoge wurden für das Sonntagskonzert von dem Operettenforscher und Moderator des Operettenboulevards Stefan Frey nah am Original dem heutigen Sprachgebrauch angepasst. So jedenfalls erklärte es Franziska Stürz, ebenfalls Moderatorin des Operettenboulevards, die informativ und mit viel Sachverstand durch das Programm führte. Ohne gegenzulesen sind mir bei den Dialogen keine Besonderheiten aufgefallen. Gefallen hat mir auf jeden Fall, wie die Protagonisten die Dialoge mit viel Spielfreude vorgetragen haben. Da habe ich schon andere konzertante Aufführungen gesehen, bei denen die Dialoge klangen, als würden sie eben zum ersten Mal vom Blatt abgelesen.


Es ist zu hoffen, dass es von dem Rundfunkmitschnitt dieses Sonntagskonzertes bald eine CD gibt; es könnte eine der besten Galathée-CDs sein.


Bleibt noch nachzutragen, dass Dirigent Ivan Repušić bei einem Interview mit Stefan Frey äußerte, er würde gerne einmal den „Boccaccio“ dirigieren. Es wäre ihm und mir zu gönnen.


Uwe Aisenpreis, Oktober 2022

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